Auszug Seite 105:

6. Abschnitt.

Warnemünde im Schifferstreit.

Mit dem Schifferstreit hat die aufsteigende Periode der Warnemünder Geschichte ihr Ende erreicht. In seinem Erwerbsleben blieb es vollständig von Rostock abhängig. Sturmfluten hatten den Ort schwer beschädigt, dazu kam der jahrelange Aufenthalt fremder Truppen, wie die der Schweden und Franzosen im Orte. Die Zeit von 1570 bis 1813 ist eine Periode des Stillstandes, des Nichtvorwärtskommens der Entwicklung Warnemündes. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts bestanden lange Zeit grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Rostock und Warnemünde.

Die uralten Schifferkompagnien der Schonen- und Bergen­fahrer zu Rostock gerieten um die Mitte des 16. Jahrhunderts in allgemeinen Verfall, seitdem der Hering an Schonens Küsten und der Dorsch vor den Bergenschen Schären sich nicht mehr zeigten. Beide Kompagnien vereinigten sich im Jahre 1565 zur Schiffergesellschaft und entwarfen ein Statut, in welchem (Art. 27) den Warnemündern befohlen wird, sich mit dem Sommerheringsfang in Falster, Schonen und Jesser (Gedser) zu begnügen und nicht die „Segelation" zu betreiben, durch die sie den Rostocker Schiffern nur die Nahrung entzögen : denn Warnemünde sei nur ein Fischer­lager mit Fischerbuden. Im Art. 28 wird streng verboten, in Warnemünde irgend etwas auszuladen, jedes einkommende Schiff sollte vielmehr an Warnemünde vorbei, und sofort nach Rostock fahren und alle Waren erst einige Zeit (meist drei Tage) auf dem dortigen Markte zum Verkauf stellen, ehe sie wieder ausgeführt werden durften.

Die in der Schiffergesellschaft vereinigten Bürger und Kaufleute klagten beim Rat gegen die Warnemünder, daß ihnen von den Beklagten durch das Treiben von Schiffahrt ihre Nahrung entzogen würde. Die Warnemünder wandten ein, die Schiffahrt sei schon von ihren Vätern betrieben und zu ihrem Lebensunterhalt unentbehrlich. Doch vergebens : am 14. April 1567 erließ der Rat ein Urteil, durch das die Warnemünder Schiffahrt auf kleine Böte. mit aufgesetztem Dollbord beschränkt wurde. In diesen Böten Kaufmanns­güter zu fahren, war erlaubt.

Der Schiffergesellschaft genügte aber diese Bestimmung noch nicht, zumal die Warnemünder weiter die Seefahrt betrieben. Sie strengte beim Rat zwei neue Klagen an (1574). Inzwischen war aber die Ordnung der Schiffergesellschaft vom Rate bestätigt (26. September 1576). Zwar waren die Artikel gegen die Warnemünder nicht in die revidierte Ord­nung aufgenommen: aber der Kampf gegen das „Fischerlager" wurde von der Schiffergesellschaft mit unverminderter Schärfe weitergeführt. Der Rat gab dem fortgesetzten Drängen der Rostocker Schiffer nach und erließ am 20. Februar 1577 eine Verordnung, nach welcher ein numerus clausus für die Schiffahrttreibenden zu Warnemünde eingeführt wird, und zwar unter der Bedingung, daß jederzeit von den Schiffern 3 Böte im Hafen segelfertig gehalten werden müßten, um Reisende nach Dänemark zu bringen. Außerdem sollte jeder von ihnen einen Knecht halten, der in der Abwesenheit der Schiffer die Fischerei wahrnehmen und den Fang in Rostock zum Verkauf stellen sollte. Ferner wurde bestimmt, daß bei Freiwerden einer Stelle sie erst mit Wissen und Erlaubnis des Rates wieder besetzt werden dürfe. Außerdem behielt sich der Rat bei Bau und Kauf von Schuten und Böten seine Einwilligung vor.

Diese Maßregeln genügten der Rostocker Bürgerschaft immer noch nicht.. In einer Eingabe vom 20. November 1581 aus ihrer Mitte wurde rundweg verlangt, daß der­jenige, welcher bei der Schiffahrt bleiben wollte, unbedingt nach Rostock ziehen müsse: Warnemünde sei nur als Fischer­lager und nicht als Kaufmannsstadt gegründet. Da der Rat mit seiner Entscheidung in dieser Angelegenheit von so ein­schneidender Bedeutung zögerte, und die Schiffergesellschaft unerbitthch auf ihrer Forderung bestand, spitzten sich die Gegensätze immer mehr zu. Die Meinung der Schiffer­gesellschaft gewann an Boden: in einem Ratsprotokoll vom 5. April 1582 teilt der Rat die Auffassung, daß Warnemünde nur ein Fischerlager sei und daß kein Kaufhandel dort ge­duldet werden sollte. Die Einwendungen der Warnemünder führten aus, die Fischerei sei sehr zurückgegangen, man müßte bis über den Darß hinausfahren, um lohnende Fänge zu erhalten. Außerdem müßten sie die Kosten der durchaus nicht billigen Bewachung und Erhaltung des Feuers auf der Leuchte bezahlen. Daher hofften sie, daß sie der Rat schützen würde, sonst kämen sie an den Bettelstab - alles fruchtete nichts: im Januar 1585 griff das in Rostock 1583 gebildete Kollegium der 1oo Männer sogar zum Mittel der Steuer­verweigerung, um den Rat, der nicht abgeneigt war, die Wünsche der Warnemünder zu erfüllen, für ihre Forderungen gefügiger zu machen. Im März wandte sich die Schiffer­gesellschaft an Herzog Ulrich von Mecklenburg-Güstrow nach Güstrow, der sich zugunsten der Schiffergesellschaft aussprach.