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1. Grube und Viergelinden-
brücke im 16.Jahrhundert,
Zeichnung von Lorenz

 

 

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3. Viergelindenbrücke Mühlen-
straße und Nikolaikirche 1840

 

 

 

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5. "Die Altstadt Rostock vom
Beginenberge 1842",
J.G.Tiedemann`sche Steindruckerei

 

 

 

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7. Blick vom Beginenberg auf
den Platz An der Viergelindenbrücke um 1875

 

 

 

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9. Blick aus der Mühlenstraße
um 1900

 

 

 

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11. Blick durch die Brücke in die Mühlenstraße 1910

 

 

 

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13. Beginenberg, Platz An der Viergelindenbrücke und Nicolaikirche um 1910

 

 

 

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15. Ein gern fotografiertes Ensemble: Viergelindenbrücke, Besohlanstalt und Gasthaus zum Schwan 1930

 

 

 

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17. Grubenstraße 1930

 

 

 

 

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19. Ein Übergabezug passiert die Brücke um 1935

 

 

 

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21. Im Mai 2003

 

 

 

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23. Blick von Westen

Die Geschichte der Viergelindenbrücke

Ein Beitrag von Dr. Joachim Lehmann (Idee, Text)
und Berthold Brinkmann (Idee, Layout).

Ohne Zweifel gehört die im Jahre 1944 zerstörte Viergelindenbrücke unverwechselbar zur optischen Erscheinung Rostocks. Diese Feststellung bezieht sich auf das Aussehen dieser Brücke, wie sie seit 1852 die Bahngleise vom Friedrich-Franz-Bahnhof zum Rostocker Stadthafen überspannte. Leider findet sich ein Hinweis auf das bemerkenswerte Bauwerk derzeit nur noch in der Straßenbezeichnung "An der Viergelindenbrücke".

Eine Brücke anderer Gestalt hatte es fast genau an gleicher Stelle bereits vorher gegeben. Die vorhandenen Abbildungen lassen eine solche Überquerung der damals sicher noch Wasser führenden Grube, ein von der Oberwarnow zur Unterwarnow führender Wasserlauf, der die Altstadt von der Mittelstadt trennte, erkennen. In ihrem Unterbau wies sie zwei gemauerte oder gefügte Bögen auf, über die dann offensichtlich eine Balkenlage aufgebracht wurde.

Der ungewöhnliche und in seiner Bedeutung nicht sofort zu erschließende Name der Brücke geht zurück auf eine nahe gelegene Wassermühle mit vier Mahlgängen, sogenannten Grinden. Die Bezeichnung Viergrinden schliff sich zu Vierglinden und schließlich Viergelinden ab. In dieser Form übertrug sich die Bezeichnung dann auch auf die Brücke. Eine neue Lage auch für den Bereich der Viergelindenbrücke entstand um die Mitte des 19.Jahrhunderts mit der Trockenlegung der Grube und der Fertigstellung des Friedrich-Franz-Bahnhofes im Jahre 1850. Auf dem Terrain der mittlerweile trockengelegten Grube wurde dann in der ab 1856 so bezeichneten Grubenstraße ein Gleis zum Hafen verlegt, dem logischerweise die bisherige Brücke weichen mußte. Somit ergab sich die Notwendigkeit, zur Querung der Bahnverbindung eine neue Brücke zu errichten.

Trägt man die vorliegenden Aussagen - besonders hilfreich sind da die Resultate der Forschungen von Heinz Brasch - zusammen, so ergibt sich für den Bau und das Ende der neuen Viergelindenbrücke folgendes Bild: Die Verkehrssituation um die Brücke erforderte zwingend auch eine Überquerung der Bahnschienen. Man entschied sich als Konstruktion für eine im wesentlichen aus Holz bestehende aufwindbare Zugbrücke, die wohl Anfang November 1852 eingeweiht werden konnte und von da an fast ein Jahrhundert lang gute Dienste für die Rostocker tat. Noch während der Fertigstellung kam es zu scharf geäußerten Zweifeln an der Dimension und Durchlaßfähigkeit des Bauwerks. Mitte 1853 wurde den Kritikern seitens des Rates entgegnet, daß die aufgestellte Brücke unter Kosten- und Zweckmäßigkeitsaspekten zweifellos anderen Konstruktionen bei weitem vorzuziehen sei.

In Rostock gab es vormals zahlreiche Brücken dieser Bauart über verschiedene Warnowarme. Auch der Moorgraben in Markgrafenheide wurde noch um 1900 von einer solchen Brücke überspannt. Die bekannteste Rostocker Holzklappbrücke war die Petribrücke über den alten Warnowarm vor dem Petritor. Sie war die einzige Möglichkeit aus Richtung Ribnitz direkt nach Rostock zu gelangen. Im Jahre 1912 mußte sie der notwendigen Hafenerweiterung nach Osten geopfert werden.

1855 passierte dann der erste Zug die hochgezogene Viergelindenbrücke. In ihrer Geschichte erfüllte sie zuverlässig ihre Funktion. Durchaus erwähnenswert und aufschlußreich ist die vor einem Dreiviertel Jahrhundert vorgenommene Erhebung über die Frequentierung der Brücke. Ein Bericht (4) des Eisenbahnbetriebsamtes Rostock wies für Anfang September 1925 an Wochentagen regelmäßig zwischen 2000 und 3000 Fußgänger, zwischen 30 und 60 Autos und um die 150 Fuhrwerke aus, die die Brücke passierten.

Natürlich wurde diese mehr oder weniger gewartet und auch immer mal modernisiert, beispielsweise 1909 durch die Elektrifizierung der Aufzugvorrichtung (6). Ihr Ende nahte am späten Abend des 7. Dezember 1944. Schuld waren nicht Bomben oder andere Kriegseinwirkungen, wie das Datum nahelegen könnte und wie fälschlich gelegentlich zu lesen war. Ein in Richtung Hafen fahrender Güterzug beschädigte die aus unbekannten Gründen nicht geöffnete Zugbrücke so schwer, daß ein Wiederaufbau unter den gegebenen Umständen von Kriegsende und Nachkriegswirren nicht in Frage kam.

Dieses Vorhaben wurde Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts von engagierten Rostockern vorbereitet und vorangetrieben. Von alten Bauzeichnungen(5) bis zum Material und den notwendigen Transportleistungen war vieles organisiert. Unverständlicherweise scheiterte dies aus meiner Sicht sinnvolle und löbliche Projekt an Vorbehalten und der Ignoranz institutionell verantwortlicher "Oberbedenkenträger". Gleiches zu verhindern sind derzeit die Rostocker aufgerufen. Dies um so mehr, wenn gerade jetzt zu hören ist, daß es ähnliche Bemühungen mit dem gleichen Ziel bei traditionsbewußten und sachkundigen Eisenbahnfreunden um den Hamburger Arzt Thomas Samek - und damit weit über Rostock hinaus - gibt. Zudem hat der Rostocker Ingenieur und Brückenbau-spezialist Klaus Busch seine Zusage von 1997 erneuert, jegliche Unterstützung bei einem Wiederaufbau der Viergelindenbrücke zu geben. Er hat schon die Rekonstruktion der Doppelholzklappbrücken über die Trebel bei Nehringen (von 1983 - 1990, wohl ein Neubau) - durch die Mecklenburg und Vorpommern verkehrstechnisch verbunden sind - und die Arbeiten an der bekannten Wiecker Brücke bei Greifswald über den Fluß Ryck geleitet. Beide Brücken werden heute zahlreich und gern von Touristen und Einheimischen besucht und sind ob ihrer Attraktivität bekannte Fotomotive. Derzeit sind das die einzigen Brücken dieser Bauart in Mecklenburg-Vorpommern. Dies sollte im Interesse Rostocks nicht so bleiben.

„Raumklammer“ versus Viergelindenbrücke

Am 8. Mai 2003, wurde es – nicht sie, denn es handelt sich um das Kunstwerk „Raumklammer“ und nicht um die Viergelindenbrücke – eingeweiht. Die Annahme bestätigte sich, dass an diesem Mittag viel Lobendes, auch Eigen-Lobendes zu hören war: über Gelungenes, künstlerisch Einmaliges, Modernes und so weiter und so fort. Vor ein paar Tagen las man in hiesiger Tagespresse bereits ein vorweg genommenes Urteil: „Als weiteres Kleinod wird sich die als Raumklammer bezeichnete neue Viergelindenbrücke von Thomas Leu ins altstädtische Areal fügen.“ Diese Sicht wird mancher teilen.
Man kann aber durchaus auch anderer Meinung sein. Ich gehörte zu den vehementen Verfechtern des Wiederaufbaus der historischen Viergelindenbrücke an ihrem Standort. Das Argument, ein Nachbau wäre ahistorisch, wirkt angesichts vieler gelungener Beispiele bundesweit wenig überzeugend.
Die bei der Sanierung und Umgestaltung des Areals „An der Viergelindenbrücke“ federführende Rostocker Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau (RGS) definierte ihr Anliegen dahingehend, in diesem Bereich „ein zeitgemäßes Kleinod in der Grubenstraße zu schaffen“. Dagegen wird vernünftigerweise niemand etwas einzuwenden haben. Sie verweist auf zehn Jahre andauernde Planungen und Konzeptentwicklungen. Deren Ergebnis ist die heute zu besichtigende Konstruktion an Stelle der ehemaligen Brücke. Unter den eingereichten Entwürfen hatte der nun realisierte gestalterisch und atmosphärisch noch am ehesten Bezug zu den Dimensionen des historischen Ensembles. Andererseits ist nun eine gewisse Diskrepanz von Modell und Ausführung nicht zu übersehen.
Aus Sicht der RGS war die Fortführung der Gestaltungsprinzipien für die Grubenstraße (modern gestalteter flacher Wasserlauf, moderne Materialien) auch für deren Südende mit der Viergelindenbrücke als Mittelpunkt unumgänglich. Selbst bei Akzeptierung der RGS-Variante (funktionsbezogene Brücke, Beibehaltung der Stützmauern, Verankerung des Ganzen - wie ein Stern - im Platzraum) ist nun keineswegs erfindlich, warum diese Gestaltung nicht mit der Viergelindenbrücke in ihrem historischen Aussehen umzusetzen gewesen wäre. Zumal die von der RGS vorgebrachten Begründungen für eine moderne Variante der Brücke (Berücksichtigung der Ergebnisse des Wiederaufbaus der vergangenen 50 Jahre; Entstehung von 70 Prozent der Grundstücksbebauung nach 1945) für die Umgebung der Viergelindenbrücke, wie jedermann mit eigenen Augen sehen kann, nun gerade nicht zutreffen. Hinzu kommt, das aufgrund der hier gegebenen ganz anders gearteten Verhältnisse die Fortführung des Wasserlaufs auch nach den Planungen der RGS durch die Zusammenführung der zwei Fahrbahnen in nur eine Straße ohnehin sehr stringent unterbrochen wird und damit eine modifizierte Gestaltung unter Einbeziehung etlicher Meter Bahngleis und Reparatur der bestehenden Stützwände aus Klinker, die im übrigen mit dem Krahnstöverschen Fabrikgebäude und der Stadtmauer mit Kuhtor sehr wohl harmoniert hätten, nicht nur möglich, sondern unter Beachtung des historischen Hintergrunds, vielleicht sogar zwingend hätte erscheinen müssen.
Ob die hier vorgetragenen Argumente zutreffen, kann nun von jedermann beurteilt werden. Und es ist vorhersehbar, dass die Eindrücke und damit Meinungen auseinandergehen. Mein Eindruck ist, dass das Modell der „Raumklammer“, das der Entscheidung der Jury in dem Kunstwettbewerb zugrunde lag, andere optische Wirkungen erwarten ließ. Das Ergebnis ist, sowohl von der Dimension als auch von der farblichen und Materialwirkung her, nicht überzeugend. Kritische Anmerkungen („Metall ist so kalt“) waren schon während der Realisierungsphase in der hiesigen Presse zu lesen. Die bei dem gewählten Verfahren entstandenen bedeutend höheren Kosten müssen zumindest erwähnt werden.
Vielleicht ist es ja gerade ein wesentlicher Mangel der angestellten Überlegungen, dass die Wiedererrichtung der Brücke, von der selbst die RGS expressis verbis festhielt, sie stelle „mit ihrer optisch einprägsamen und technisch durchdachten Lösung in funktioneller Einheit mit dem Hafenbahngleis einen gestalterischen Höhepunkt in dem Platzraum ´An der Viergelindenbrücke´ dar“, und deren Verlust sie bedauert, niemals ernsthaft im Kalkül der Planer gewesen ist. Wenn dem so wäre, spräche das nicht für Professionalität und müsste ebenso bedauert wie kritisiert werden. Bei der Einweihung wurde aus gutem Grund die „breite Mitwirkung“ der Rostocker bei der Entscheidungsfindung für den Kunstwettbewerb hervorgehoben. Das mag stimmen oder nicht. Jedenfalls wurde offensichtlich in der Grundsatzfrage Nachbau oder künstlerische Verfremdung außerhalb der RGS wohl niemand befragt. Hier gilt es, bei zukünftig notwendigen vergleichbaren Entscheidungen im Interesse der Sache und der Rostocker anders zu verfahren.
Mir wäre jedenfalls eine neue „alte“ Viergelindenbrücke in ihrer unverwechselbaren grazilen Gestalt als historisches Zitat, Beispiel handwerklichen und technischen Könnens und ästhetischer wie funktioneller Beitrag für das Anliegen der Gestaltung des Geländes sehr viel lieber gewesen.

Joachim Lehmann

Quellen
(1) Als Beispiel kann der Beitrag von Hans Burmeister "Dort ging es too den veer Grynden" in der Ostseezeitung vom 9.3.1987 gelten.

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(2) Hinzuweisen ist (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) auf "Der Tod an der Brücke" von Hans-Werner Bohl in: Norddeutsche Neueste Nachrichten (NNN) vom 8.11.1996; ders. "Das Ende der Viergelindenbrücke" in: InBöter, 1(1997), Heinz Brasch "Die Viergelindenbrücke" in: Rostocker Blitz, 10.10.1999; ders. "Der Bau der Viergelindenbrücke" ebenda, 11.6.2000 und jüngst Tom Pahlke "Die Viergelindenbrücke - Wiedergeburt eines Wahrzeichens?" in OSTPOST 2(2001). Der Autor hat seinen spontanen Standpunkt deutlich gemacht in den NNN vom 11./12.8.2001, S. 23.

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(3) So der Hamburger Arzt Dr. Thomas Samek in einem Beitrag "Die Viergelindenbrücke zu Rostock" in Eisenbahn-Kurier, 5(2001), S. 70 ff.

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(4) Bericht des Eisenbahnbetriebsamtes Rostock an die RBD Schwerin v. 17.9.1925

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(5) Zeichnung 1: Schema der Viergelindenbrücke (PDF)

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(6) Zeichnung 2: Windevorrichtung (PDF)

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Danksagung

Für die Genehmigung zur Veröffentlichung historischer Fotos aus ihren Sammlungen danken wir Volkmar Baier und Dr. Hans Joachim Vormelker.

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Karte Stadtmitte Karte

 

 

 

 

 

 

 

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2. Viergelindenbrücke, Specula
(ehemalige Wasserkunst) und
Schweinehirtenturm 1814

 

 

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4. Viergelindenbrücke und
Speicher Beginenberg 1
im Jahr 1840

 

 

 

 

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6. Platz An der Viergelinedenbrücke 1875

 

 

 

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8. Die Holzklappbrücke und
der Platz um 1900

 

 

 

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10. Die Viergelindenbrücke
im Winter 1910

 

 

 

 

 

 

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12. Winter 1922, Federzeichnung von A. Eulert

 

 

 

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14. Blick aus dem Speicher Beginenberg 1 um 1930

 

 

 

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16. "Verkehr" auf der Brücke 1935

 

 

 

 

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18. Pflasterarbeiten um 1935

 

 

 

 

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20. Wenig los am 14.02.1938 gegen Mittag

 

 

 

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22. Blick von Osten

 

 

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24. Blick von Süden